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Die Kraft der freien Musik. Wie Zeit in freier Musik funktioniert

Daniel Martin Feige
Kunst-Hochschule Stuttgart

Miles Davis war ein berühmter Jazz-Musiker. Er hat gesagt: Habt keine Angst vor Fehlern. Es gibt keine Fehler. Das ist sehr überraschend. Jeder weiß: Man kann beim Musik machen viel falsch machen. Auch Jazz-Fans wissen das. Sie wissen auch: Improvisieren ist schwer. Das bedeutet: Man spielt Musik ohne Noten. Man denkt sich die Musik aus. Auch talentierte Musiker müssen viel üben. Nur dann können sie gut spielen. Aber Miles Davis hat etwas Wichtiges gesagt. Er meinte nicht: Alles ist gleich gut im Jazz. Miles Davis hat oft andere Musiker kritisiert. Er meinte etwas anderes. Im Jazz gibt es keine festen Regeln. Jazz-Musiker erfinden die Musik im Moment. Sie wissen vorher nicht genau: Was ist richtig? Was ist falsch? Jazz-Musik entsteht spontan. Die Musiker entscheiden beim Spielen: Was ist gut? Was funktioniert? Deshalb gibt es im Jazz keine echten Fehler. Die Musik entsteht im Moment. Die Regeln entstehen auch im Moment.

Ich möchte eine Idee entwickeln. Ich frage: Wie ist Jazz anders als klassische Musik? Bei Jazz macht man Improvisation. Bei klassischer Musik spielt man Stücke nach Noten.

Im Jazz kann Improvisation gut oder schlecht sein. Manche Improvisationen sind sehr gut. Andere sind weniger gut. Das gilt auch für Free Jazz. Free Jazz klingt für manche Menschen chaotisch. Aber auch Free Jazz kann gut oder schlecht sein. Bei Jazz gibt es aber keine festen Musikstücke als Vorlage. Das ist anders als bei klassischer Musik.

Ich erkläre hier etwas über Musik-Werke. Manche Leser kennen sich gut mit klassischer Musik aus. Für sie schreibe ich diese Erklärung. Das Wort Werk hat zwei Bedeutungen in der Musik. Erste Bedeutung: Ein Werk ist alles, was durch künstlerische Arbeit entsteht. Das können Kompositionen sein. Das können auch Aufführungen sein. Oder Aufnahmen. Zweite Bedeutung: Ein Werk ist nur das, was ein Komponist schreibt. Oder was mehrere Komponisten zusammen schreiben. Dieses Werk wird dann durch Musiker gespielt. Die Musiker spielen das Werk gut oder schlecht. Ich meine hier die zweite Bedeutung. Diese Bedeutung vom Werk ist noch nicht sehr alt.

Das musikalische Werk gibt es erst seit Beethoven. Vor Beethoven war das anders. Damals haben Komponisten Musik geschrieben. Aber andere Leute durften die Musik ändern. Die Komponisten fanden das okay. Sie waren nicht böse, wenn jemand ihre Noten umschrieb. Heute ist das anders. Wir loben Bach und Händel für ihre Musik. Aber wir sehen ihre Musik mit heutigen Augen. Ein musikalisches Werk funktioniert so: Ein Komponist schreibt Musik. Er schreibt die Noten auf. Das nennt man Partitur. Musiker spielen dann diese Noten. So wird die Musik lebendig.

Wie ist Jazz und Musikwerke? Es gibt im Jazz auch feste Musikstücke. Das gilt für Musiker vom Third Stream. Third Stream mischt Jazz und Neue Musik. Ein Beispiel ist Anthony Braxton. Das gilt auch für Big Band Musik. Maria Schneider und Bob Mintzer schreiben solche Musik. Aber viele alte Big Bands dachten anders. Duke Ellington zum Beispiel. Er wollte nicht immer gleich spielen. Der Forscher Andrew Kania hat das gezeigt. Ellington nutzte Noten nur als Hilfe. Er schrieb Musik für seine Band-Mitglieder. Er passte die Musik an sie an. Im Jazz gibt es fast immer freies Spielen. Das heißt Improvisation.

Jazz-Musik ist anders als klassische Musik. In der klassischen Musik gibt es feste Werke. Im Jazz ist das nicht so wichtig. Jazz-Musiker spielen oft Standards. Standards sind bekannte Jazz-Lieder. Zum Beispiel das Lied Skylark. Viele verschiedene Musiker können den gleichen Standard spielen. Chick Corea spielt Autumn Leaves. Jacky Terrason spielt auch Autumn Leaves. Aber beide spielen es anders. Standards sind dünne Werke. Das heißt: Es gibt eine Grundlage für das Lied. Diese Grundlage steht im Lead-Sheet. Das Lead-Sheet hat die wichtigsten Noten. Es steht in Real Books. Real Books sind Bücher mit vielen Jazz-Standards. Die Musiker nehmen diese Grundlage. Dann spielen sie das Lied auf ihre Art. In der klassischen Musik ist es ähnlich. Die Noten zeigen nicht alles genau. Die Musiker müssen selbst entscheiden. Im Jazz ist es genauso. Die genauen Töne stehen nicht fest. Die Musiker wählen die Töne selbst aus.

Jazz-Musik arbeitet anders als klassische Musik. Bei klassischer Musik stehen viele Regeln in den Noten. Die Musiker müssen sich genau an diese Regeln halten. Wenn sie das nicht tun, machen sie Fehler. Bei Jazz stehen weniger Regeln in den Noten. Die Jazz-Noten sind wie einfache Skizzen. Die klassischen Noten sind wie fertige Zeichnungen.

Aber diese Erklärung ist nicht ganz richtig. Jazz-Musiker können viel mehr ändern als nur die Teile, die nicht in den Noten stehen. Sie können zum Beispiel andere Akkorde spielen. Ein Beispiel: Statt Cm7, F7, Bbmaj7 können sie Cm7, B7, Bbmaj7 spielen. Das nennt man Tritonussubstitution. Jazz-Musiker können noch viel mehr ändern. Sie können sogar die Harmonie ganz neu machen. Das ist bei klassischer Musik nicht erlaubt. Wenn jemand eine Beethoven-Sonate so verändert, spielt er nicht mehr die Sonate. Er improvisiert über die Sonate. Im Jazz ist das normal. Die Musiker können fast alles ändern. Nur die Form des Stücks soll bleiben. Sie müssen am Ende wieder zum richtigen Akkord zurückkommen.

Man kann das Jazz-Stück Autumn Leaves anders spielen. Man kann es in einer anderen Ton-Art spielen. Man kann es schneller oder langsamer spielen. Man kann einen anderen Rhythmus nehmen. Man kann die Harmonie ändern. Man kann die Melodie anders spielen. Trotzdem spielt man immer noch dasselbe Stück. Das ist im Jazz normal und erlaubt.

Im Jazz spielt man keine festen Musik-Werke. Man spielt Standards. Standards sind anders als klassische Musik-Stücke.

Einen Standard gut zu spielen bedeutet etwas anderes. Man muss etwas Eigenes daraus machen. Man muss kreativ sein. Dabei kennt man die Geschichte des Stücks. Lead Sheets sind einfache Noten. Sie zeigen nur das Wichtigste. Sie kommen oft von berühmten Aufnahmen. Sie sind wie Fotos von etwas, das sich immer ändert.

Gute Jazz-Musiker brauchen oft keine Noten. Sie spielen frei. Sie hören gut zu. Sie haben viel geübt. Das liegt daran, dass Jazz anders ist als klassische Musik. Jazz-Musiker spielen keine festen Werke. Sie machen ihre eigene Musik aus bekannten Stücken.

Jazz-Musik ist anders als andere Musik. Bei Jazz-Musik gibt es keine festen Regeln. Die Musiker spielen frei. Sie denken sich die Musik beim Spielen aus. Das nennt man Improvisation. Bei anderer Musik stehen die Noten fest. Die Musiker wissen genau: Diese Note ist richtig. Diese Note ist falsch. Bei Jazz ist das nicht so. Die Jazz-Musiker entscheiden beim Spielen: Was passt gut? Was klingt schön? Es gibt keine falschen Noten. Alles kann richtig sein. Die Musiker finden das beim Spielen heraus.

Miles Davis sagte etwas Wichtiges über Musik. Er meinte: Fehler gibt es nicht von Anfang an. Erst wenn Musiker zusammen spielen, zeigt sich: Ist das gut oder schlecht?

Ein Fehler kann sein: Ein falscher Akkord. Oder langweilige Musik. Aber das weiß man erst später. Wenn die Musiker fertig gespielt haben.

Herbie Hancock ist auch ein Musiker. Er erzählt eine Geschichte über Miles Davis:

Herbie spielte einmal mit Miles Davis zusammen. Miles wollte gerade ein Solo spielen. Dann spielte Herbie einen falschen Akkord. Herbie dachte: Das ist schlecht.

Aber Miles hörte den Akkord. Er dachte nicht: Das ist falsch. Er dachte: Wie kann ich damit weiter spielen? Miles machte aus dem falschen Akkord etwas Schönes. Die Leute fanden die Musik toll.

Herbie verstand später: Miles bewertete den Akkord nicht. Er nahm ihn einfach an. So konnte er daraus gute Musik machen.

Hancock hat einen Fehler gemacht. Dann hat er weiter gespielt. Was er danach gespielt hat, war wichtig. Das zeigt uns etwas über Jazz. Jazz passiert in der Zeit. Spätere Töne ändern den Sinn von früheren Tönen. Ein Musiker spielt eine Melodie. Dann wiederholt er sie. Oder er spielt sie in einer anderen Tonart. Oder er ändert den Rhythmus. Das macht einen großen Unterschied. Bill Evans hat das richtig gesehen. Jazz plant nicht vorher. Jazz schaut zurück.

Musiker spielen oft Teile von alten Melodien. Manchmal besteht eine ganze Improvisation aus solchen Teilen. Aber der Sinn entsteht erst beim Spielen. Er ist nicht schon vorher da.

Improvisieren ist nicht wie Bausteine zusammen setzen. Es ist nicht das Mischen von fertigem Material. Es ist auch nicht das Ablaufen eines festen Weges.

Improvisation und Interpretation sind nicht das Gleiche. Aber sie haben etwas Gemeinsames. Bei der Improvisation bestimmen spätere Teile die früheren Teile mit. So ist es auch bei Interpretationen von Musik-Stücken. Ein Komponist schreibt Noten auf. Aber das Werk ist noch nicht fertig. Musiker müssen es spielen. Sie interpretieren es. Jede Interpretation ist anders. Musiker schauen nicht nur auf die Noten. Sie hören auch andere Interpretationen. Die Geschichte der Interpretationen ist wichtig. Jede neue Interpretation lässt das Werk anders klingen. Was eine gute Interpretation ist, steht nicht von Anfang an fest. Die Interpretationen entwickeln sich weiter. Diese Entwicklung ist wichtig für die Kunst.

Musik ist eine Kunst-Form. Musik kann sehr gut gelingen. Das passiert in einem besonderen Moment. Jazz-Musik hat keine Noten zum Lesen. Jazz-Musiker spielen frei. Sie denken sich die Musik aus während sie spielen.

Jazz lebt von diesem freien Spiel. Jazz braucht besondere Orte. Die Jazz-Schmiede in Düsseldorf ist so ein Ort.

Professor Daniel Martin Feige arbeitet in Stuttgart. Er lehrt Philosophie und Ästhetik. Er hat ein Buch über Jazz geschrieben. Das Buch heißt Philosophie des Jazz. Er hat einen Text für die Jazz-Schmiede geschrieben. Der Text heißt Die Kraft der Interpretation. Vor zehn Jahren hat er schon einmal einen Text geschrieben. Der hieß Jazz als lebendige Musik. Wir danken ihm für seine Arbeit.